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Theorie: Willkommen

Ist Deutschland bereit  für eine alternative Lebensmittelversorgung?

Autor: Maurice Andres

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Der Preis des Wachstums im Agrarsektor

Im derzeitigen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem unterliegen landwirtschaftliche Betriebe einem tiefgreifenden Strukturwandel. Aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass 1995 in Deutschland noch rund 400 000 Betriebe in der Größenordnung von über fünf Hektar zu verzeichnen sind (landwirtschaft.de). Im Vergleich dazu sank die Zahl der Großbetriebe im Jahr 2016 auf rund 250 000. Dies entspricht einem Rückgang von rund 40%. Die Zahl kleinerer Familienbetriebe in der Größenordnung unter fünf Hektar sank im gleichen Zeitraum von ca. 200 000 auf 25 000 Betriebe, was sogar einem Rückgang von knapp 90% entspricht. Simultan dazu steigt die durchschnittliche Fläche pro Betrieb von 40 auf 70 Hektar. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass eine immer geringer werdende Anzahl an Betrieben immer größere Flächen bewirtschaftet.

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                           Abb.1: Entwicklung der Betriebsstruktur landwirtschaftlicher Betriebe                            (Eigene Darstellung nach Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 2021)

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Diese Entwicklung wird durch hohen Konkurrenzkampf um Wettbewerbsfähigkeit verschärft und durch technologischen Fortschritt begünstigt. Das anhaltende Verschwinden von Familienbetrieben und der Rückgang an Erwerbstätigen im landwirtschaftlichen Sektor fördern die Verödung ländlichen Raumes. Balmann und Schaft sprechen in diesem Fall von einem Dualismus innerhalb bestehender Agrarstrukturen und statuieren Modernisierung und Wachstum in dieser Branche als ausschließlich dann möglich, wenn andere Betriebe ausscheiden (Balmann 2008, S. 14 f.).

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Der steigende Konkurrenzdruck führt dazu, dass sich Betriebe gezwungen sehen, sich zunehmend zu spezialisieren. Wo Agrarbetriebe früher verschiedene Ackerkulturen anbauten, sind sie heute auf wenige oder gar eine Nutzpflanze spezialisiert – man spricht von einer Intensivierung der Agrarproduktion. Die räumliche Konzentration bestimmter Anbauformen, Mechanisierung und der starke Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden steigert zwar die Produktivität und damit den Ertrag, wirkt sich aber negativ auf die Biodiversität aus und laugt die Böden aus (Feindt et. al 2008, S. 12). Die Beschränkung auf wenige Produkte bringt zudem eine größere Anfälligkeit gegenüber Preisschwankungen mit sich.

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Angesichts dieser Entwicklung landwirtschaftlicher Produktionsweisen kann diese Art der Lebensmittelproduktion als nicht nachhaltig bezeichnet werden. Es ist davon auszugehen, dass diese landwirtschaftliche Praxis die eigenen Grundlagen (intakte Böden und Ökosysteme) unterminiert und an Grenzen des Wachstums stößt, wie andere Wirtschaftsbereiche, die aktuell an die Verfügbarkeit endlicher Rohstoffe auf der Erde gekoppelt sind. Daher ist es von alarmierender Wichtigkeit, ein Umdenken einzuleiten und dazu anzuregen. Auf der Suche nach alternativen Herangehensweisen zur Lebensmittelproduktion stößt man in erster Linie auf Konzepte Solidarischer Landwirtschaft und Urban Gardenings.

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Formen alternativer Nahrungsmittelproduktion

Im einleitenden Text zu alternativen Versorgungsformen wird bereits auf die Preisgestaltung und Finanzierungsform solidarischer Landwirtschaften (SoLaWi) eingegangen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine SoLaWi das Durchbrechen kapitalistischer Wirtschaftsweisen durch die Abkehr vom Markt ermöglicht, indem man einen eigenen Wirtschaftskreislauf zwischen Verbraucher:innen und Erzeuger:innen etabliert, ohne den Fokus auf Kapitalakkumulation zu legen. Aus der Not heraus, dass Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, meist nur die Wahl haben, ,,entweder die Natur oder sich selbst auszubeuten“, da ihre Existenz von Subventionen und Marktpreisen abhängt, entscheidet man sich bei einer SoLaWi bewusst für eine kleinzellige, regionale Produktion, ohne den Gedanken an wirtschaftliches Wachstum (Solidarische-Landwirtschaft.org).

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Entscheidend dabei ist, dass der/die Konsument:in Lebensmittel lokalörtlich erwirbt, deren Produktionsbedingungen er/sie kennt und gegebenenfalls darauf Einfluss nehmen kann. Diese Transparenz ist bei Waren aus dem Supermarktregal so gut wie nicht gegeben. Hier wird auf die Angaben der Hersteller, sowie diverser Gütesiegel vertraut, deren Anspruch auf Glaubwürdigkeit hinterfragt werden kann. Durch die Abkehr vom Markt unterliegt man außerdem keinen existenzbedrohenden Preisschwankungen. Das Konzept weist also einen gewissen resilienten Charakter auf.

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Ein Grundgedanke des Urban Gardening setzt demgegenüber auf eine Rückkehr zu einer Subsistenzwirtschaft. Der transformative Charakter kann in diesem Fall in erster Linie als Rückbesinnung auf althergebrachte Methoden gesehen werden. ,,Der Unterschied zwischen traditionellen Kleingärten und neuen urbanen Gärten ist jedoch, dass der neue Garten bewusst in Dialog mit der Stadt tritt und als Bestandteil von ihr und nicht als Alternative gesehen werden möchte“ (vgl. Müller 2014, S. 23). Moderne Formen urbaner Gärten treten als ,,öffentliche, teil-öffentliche, bürgerliche, partizipative, kooperative, experimentelle, ökologische, produktive DIY Freiraumgestaltung“ in städtischen Bereichen auf (vgl. Von der Haide 2014, S. 5). Soziale und ökologische Aspekte gewinnen also immer mehr Bedeutung und werden mit der Freude am Gärtnern kombiniert. Darüber hinaus erweitert der urbane Garten sogar das ökologische Verständnis und bietet Freiräume fernab des vorherrschenden Konsums, in dessen Warenwelt dem Verbraucher vorgefertigte Nahrungsmittel im Supermarkt zur Verfügung stehen, ohne Bezug zu der Art und Weise, unter welchen Bedingungen diese produziert worden sind (Müller 2014, S. 9). Das Konzept des Urban Gardenings rückt auch als Instrument in der Stadtplanung immer mehr in den Fokus und stößt auf zunehmenden Zuspruch der öffentlichen Hand, solche in Stadtgebieten anzusiedeln.

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Erfolgsrezepte für die zukünftige (Weiter-) Verbreitung und Etablierung transformativer Ansätze Versorgung

Doch inwieweit stellen Konzepte alternativen Wirtschaftens in der Nahrungsmittelproduktion tatsächliche Alternativen zu den aktuell vorherrschenden Formen dar?

 

Dies möchte ich auf der Basis von fünf Mechanismen diskutieren, die nach Ehnert et al. für den langfristigen Erfolg von Nachhaltigkeitsansätzen maßgeblich sind: Upscaling, Replikation, Partnerschaften, Instrumentalisierung und Einbettung (Ehnert et al. 2018, S. 8-17).

 

Der Begriff Upscaling zielt auf die Verbreitung neuer Denkweisen, Ideen und Praktiken ab, indem Nachhaltigkeitsinitiativen Sichtbarkeit und Einfluss generieren. Dies kann durch Öffentlichkeitsarbeit oder quantitatives Wachstum der Mitgliedszahlen und Unterstützer:innen erreicht werden. Ein erfolgreicher Upscaling-Prozess wird durch eine professionalisierte Organisation und Aufgabenverteilung innerhalb einer Initiative begünstigt und ist zudem häufig an finanzielle Ressourcen gekoppelt (Ehnert et al. 2018, S. 8 f.).

 

Bei der Replikation geht es in erster Linie um die Adaption der Idee einer Initiative und damit in gewisser Weise um die flächenmäßige Ausbreitung dieser. Hierbei sind Kommunikation und Kontextualisierung der Idee von besonderer Bedeutung. Nutzen und Sinn einer Idee müssen dabei für potentielle Nachahmer:innen ersichtlich sein und werden häufig über einen Mediator kommuniziert (Ehnert et al. 2018, S. 10 f.).

 

Die Bildung formeller als auch informeller Partnerschaften und die Tätigkeit des ,,Netzwerkens“ können für das Vorantreiben von alternativen Wirtschaftskonzepten ebenfalls von großer Bedeutung sein. Hierbei können zwischen verschiedenen Führungskonstellationen unterschieden werden: Gemeinschaftsbasierte Entscheidungsfindung, Steuerung durch private oder öffentliche Akteure oder eine Mischung aus Beidem in Form von Public-Private-Partnerships (Ehnert et al. 2018, S. 11 f.).  

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Die Instrumentalisierung entsprechender Initiativen beinhaltet weitestgehend die Mobilisierung von Ressourcen. Darunter fällt einerseits die Bereitstellung finanzieller Mittel und des notwendigen Know-Hows, als auch die Verfügbarkeit freier Fläche, um dort mit nachhaltigen Lösungen experimentieren zu können (Ehnert et al. 2018, S. 13 f.).

 

Der Begriff der Einbettung bezieht sich auf die Anpassung alter und neuer Handlungsmuster, als auch neuen Denkweisen und Organisationsstrukturen. Also im Grunde, Prozesse der Routinisierung und Institutionalisierung alternativer Handlungsmuster innerhalb staatlicher Institutionen, Unternehmen oder gesellschaftlichen Initiativen (Ehnert et al. 2018, S. 15 ff.).

 

Reflexive Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen

Anhand unserer Karte der Transformation, die den Kern unseres gemeinschaftlichen Projektes darstellt, lässt sich bereits ableiten, dass im Bereich der Versorgung mit Abstand die meisten Pioniere des Wandels zu verorten sind. Als Grund dafür könnte erstens aufgeführt werden, dass es sich bei diesen Konzepten um die Wiederbelebung und die Modernisierung altbewährter Vorgehensweisen handelt und sich die Menschen rückbesinnen an eine Zeit, in der Subsistenzwirtschaft an der Tagesordnung war. Dieser Rückbesinnung könnten zweitens individuelle Ansprüche an gesunder Ernährung und ökologisch hergestellten Lebensmitteln sowie ein gesteigertes Bewusstsein für die eigene Gesundheit und die negativen Folgen konventioneller Landwirtschaft zugrunde liegen.

 

Solidarische Landwirtschaften – eine flächendeckende Alternative?

Internetrecherchen und Ergebnisse aus Interviews zeigen, dass insbesondere das Konzept der solidarischen Landwirtschaft zwar einen großen, aber dennoch ausbaufähigen Anklang findet. Aus Zahlen des Netzwerkes ,,Solidarische Landwirtschaft“ geht hervor, dass im Zeitraum von 1989 bis 2009 noch lediglich 11 SoLaWis gemeldet waren. Innerhalb eines Zeitraums von weiteren 11 Jahren ist die Zahl der gemeldeten SoLaWis auf 308 gestiegen (solidarische-landwirtschaft.org). Auf Basis dieser Zahlen lässt sich bereits ein deutlicher Erfolg bei der Replikation des Konzeptes erkennen.

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                                  Abb.2: Entwicklung der Anzahl von SoLaWis in Deutschland                                    (Eigene Darstellung nach Netzwerk Solidarische Landwirtschaft 2021)

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Untereinander weisen SoLaWis starke Vernetzungen auf. Nach außen hin fehlt ihnen aufgrund der Tatsache, dass sie meist lokal unter sich agieren, Bottom-Up organisiert und oft weniger gefestigte Verwaltungsstrukturen aufweisen wie z.B. Stadtverwaltungen, die Einbettung in kommunale gesellschaftliche Strukturen.

 

SoLaWis werden ungeachtet ihres Erfolgs bei der Replikation oft belächelt und es kommen Fragen auf, wie sich ein solches Konzept rechnen kann (vgl. Interview SoLaWi Kell am See). Dass es bei der Umsetzung solcher alternativer Nahrungsproduktionen eben nicht um Kapitalakkumulation geht und die Teilhabenden aufgrund dieser Tatsache dennoch keinen wirtschaftlichen Schaden davontragen, muss sich erst noch in den Köpfen der Bevölkerung etablieren. 

 

Vielen Menschen erscheint ein solches Konzept, welches unabhängig von wirtschaftlichem Erfolg Bestand hat, viel zu abstrakt, als dass es als unterstützenswert angesehen wird: ,,Ob SoLaWis generell für eine flächendeckende Versorgung ausreichen, das wage ich Stand heute stark zu bezweifeln, […] weil da auch sich in der Gesellschaft sehr viel drehen müsste“ (vgl. Interview SoLaWi Kell am See).

 

Die Entwicklung der Zahl an SoLaWis ist beeindruckend, die Idee des Konzeptes den Aussagen unseres Interviewpartners nach, großen Teilen der Bevölkerung allerdings eher unzugänglich. Wenn SoLaWis auch in ihrem eigenen Wirtschaftskreislauf stehen, so konkurrieren ihre Produkte dennoch in gewisser Weise mit denen aus anderen landwirtschaftlichen Betrieben.

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Da eine nachhaltige Lebensmittelproduktion mit größerem Aufwand einhergeht, sind die Produktionskosten höher und nicht jeder Bürger ist bereit oder in der Lage, mehr Geld für ein nachhaltig produziertes Produkt zu zahlen. Somit spricht das Konzept der SoLaWi nur jene Personenkreise an, die sich für die Herstellungsart ihrer Lebensmittel interessieren oder es sich leisten können. Daher ist es fraglich, ob das Konzept dazu in der Lage ist, den Weg für alternative Handlungsmuster innerhalb weiter Teile der Gesellschaft ebnen zu können. 

 

Ein progressives Beispiel für Urban Gardening

Neben der Beschäftigung mit regionalen SoLaWis wurde ein Interview mit einem Vertreter der Essbaren Stadt Andernach geführt. Die Stadt Andernach ist ein mittlerweile sehr bekanntes Beispiel für die Verknüpfung von Nahrungsmittelproduktion im öffentlichen Stadtraum. Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass sie anderen Städten als Inspiration im Bezug auf nachhaltiges Grünflächenmanagement innerhalb der Stadt dient.

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Die Essbare Stadt stellt eine besondere Ausführung eines Urban Gardening Konzeptes dar, welches entgegen anderer Top-Down von der öffentlichen Hand selbst gesteuert wird. Angefangen mit der Intention, Langzeitarbeitslose wieder auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren, gelangen im Laufe der Projektentwicklung immer mehr stadtökologische Aspekte in den Vordergrund.

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Wie bereits in einem vorherigen Kapitel erläutert, unterscheiden sich moderne Urban Gardening Projekte vom Kleingärtnern in innerstädtischen Schrebergärten darin, dass sie nicht als Alternative, sondern als Bestandteil der Stadt wahrgenommen werden und in Dialog mit der Bevölkerung treten möchten. Ein weiterer Unterschied zum konventionellen Kleingärtnern stellt die Tatsache dar, dass öffentliche Flächen zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

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Als Teil des EU-geförderten Forschungsprojektes EdibleCityNetwork (EdiCitNet), welches sich für nachhaltige Lebensmittelproduktion, Ressourcenschonung und Biodiversität in Städten einsetzt, fungiert die Essbare Stadt Andernach heute als Modellstadt und zeigt, wie man städtische Flächen nachhaltig nutzen kann:

 

 

„Die Essbare Stadt wird […] in ganz Deutschland

weit beachtet und es geht eben darum, wie kann man

eine Grünfläche gestalten – also, dass man sich rück-

besinnt auf lokal produziertes Gemüse oder Obst“

(vgl. Interview Essbare Stadt Andernach).

 

 

Dazu werden u.a. Flächen als Reallabore für Düngemittelhersteller und Slow Food Initiativen zur Verfügung gestellt. Was anfangs mit viel Skepsis im Stadtrat begonnen hat, stößt nun auf immer mehr Akzeptanz seitens der Bevölkerung. Anfängliche Befürchtungen von Vandalismus innerhalb der Grünanlagen beschränken sich auf ein Minimum. Dennoch wünschen sich die Verantwortlichen etwas mehr Bürgerbeteiligung. Man befürchtet, die Nachfrage an öffentlichen Gartenanlagen bleibt aufgrund der eher ländlichen Lage Andernachs und der damit einhergehenden Tatsache, dass der Großteil der Haushalte einen eigenen Garten besitzt, eher gering.

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Beobachtungen in Berlin, welches ebenfalls Teil des EdiCitNet Forschungsprojektes ist, zeigen, dass die Bürgerinitiative dort zumindest wesentlich größer ist. Neben ökologischen Aspekten ist das Projekt ebenfalls relevant für das Stadtmarketing, da eine große Wahrnehmung generiert wird, ohne aktiv Werbung schalten zu müssen. Attraktive Grünflächengestaltung trägt zudem zu einem angenehmen Aufenthalt von Besuchern bei. Wenn die Essbare Stadt auch die Bildung weicher Standortfaktoren begünstigt, so stehen wirtschaftliche Interessen nicht im Vordergrund des Projektes.

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Durch die Implementierung des Projektes in den städtischen Verwaltungsapparat wird eine große Reichweite generiert und das Projekt findet viele Nachahmer auf städtischer Ebene und erhält Anfragen  bzgl. der Umgestaltung städtischer Teilflächen zugunsten eines ökologischen Mehrwertes (z.B. Berliner Wohnungsbaugesellschaften). Zudem steht die Stadt Andernach über das EdiCitNet Projekt mit weiteren Städten wie Berlin, Oslo, Rotterdam und Karthago im Austausch. Diese Kooperationen fördert das Schöpfen und die Bereitstellung von Know-How in Sachen innerstädtischer Gartenflächengestaltung (vgl. Interview Essbare Stadt Andernach)

 

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Formen der alternativen Nahrungsproduktion einerseits an Beliebtheit gewinnen. Auf der anderen Seite muss sich das Bewusstsein der breiten Masse ändern, um das Stigma des andauernden Wirtschaftswachstums zu durchbrechen und einen Mehrwert für sich selbst durch ökologisch angebaute Lebensmittel zu generieren oder um ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Freizeit zu nennen, individuelle Freiheit nicht mehr durch finanziellen Wohlstand, sondern durch mehr Zeit für sich selbst zu erlangen.

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Bis Bottom-Up organisierte, lokal agierende Pioniere alternativer Nahrungsmittelproduktion eine umfassende Transformation herbeiführen können, ist also noch viel Aufklärung und Dialog erforderlich. Es kann nämlich nur dann von Upscaling in transformativer Dimension gesprochen werden, wenn die Bevölkerung über die Bedeutung und Chancen alternativer Wirtschaftsweisen aufgeklärt wird. Eine Schlüsselrolle könnten möglicherweise Top-Down Ansätze regionaler Verwaltungen spielen. Diese können mehr Ressourcen in Form von Know-How und finanziellen Mitteln mobilisieren, um Reichweite zu erzielen und Anreize zu neuen Denkweisen zu schaffen.

 

Allerdings dürfte das Interesse daran von Seite der Bundesregierung aufgrund der aktuellen Wirtschaftspolitik, die nun einmal auf Akkumulation von Kapital abzielt, dürftig ausfallen. Zusätzlich könnte die Lobbymacht der konventionellen Landwirtschaft eine ausbremsende Rolle bei der Durchsetzung von transformativer Nahrungsmittelproduktion spielen, da diese einen Machtverlust für etablierte Akteure darstellen würde. Eine weitere strukturelle Hürde stellt möglicherweise der hohe Konzentrationsgrad im Lebensmitteleinzelhandel dar, der einen starken Wettbewerbsdruck aufrechterhält, mit dem Produkte aus der SoLaWi womöglich nicht mithalten können.

 

Literatur

Balmann, A. und Schaft, F. (2008): Zukünftige ökonomische Herausforderugnen der Agrarproduktion: Strukturwandel vor dem Hintergrund sich ändernder Märkte, Politiken und Technologien. Copernicus, Göttingen, Vol. 51, Sonderheft 13-24

 

Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (2021): Landwirte – Mehr als nur Lebensmittelproduzenten. URL: https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-funktioniert-landwirtschaft-heute/landwirte-mehr-als-nur-lebensmittelproduzenten (Letzter Zugriff: 13.03.22)

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Ehnert et. al. (2018): The Acceleration of Urban Sustainability Transitions: a Comparison of Brighton, Budapest, Dresden, Genk, and Stockholm

 

Feindt et al. (2008): Nachhaltige Agrarpolitik als reflexive Politik – Plädoyer für einen neuen Diskurs zwischen Politik und Wissenschaft. edition sigma, Berlin

 

Interview Essbare Stadt Andernach (25.10.21)

 

Interview SoLaWi Kell am See (06.12.21)

 

Müller, C. (2014): Urban Gardening – Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt. Oekom Verlag, München

 

Ökolandbau (2021): Solidarische Landwirtschaft boomt. URL: https://www.oekolandbau.de/bio-im-alltag/bio-erleben/aktiv-werden/solidarische-landwirtschaft-boomt/ (Letzter Zugriff: 13.03.22)

 

Solidarische Landwirtschaft (2022): Was ist solidarische Landwirtschaft - Ein Konzept der Zukunft. URL: https://www.solidarische-landwirtschaft.org/das-konzept/was-ist-solawi (Letzter Zugriff: 13.03.22)

 

Von der Heide, E. (2014): Die neuen Gartenstädte. München

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