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Bildung und Netzwerke als Treiber der Transformation 

Autor:innen: Stefanie Schenk, Demian Andres und Mark Diederichs

„Findet ein Bewusstseinswandel statt?” (Interview Myzelium)

 

Wie auf den Unterseiten dieser Website bereits erörtert, stellen alternative Wirtschaftsformen aus dem Bereich der Postwachstumsökonomien einen Gegenentwurf zum weltweit etablierten wachstums- & gewinnorientierten kapitalistischen Wirtschaftssystem dar. Und auch wenn der Debatte um diese Alternativen im letzten Jahrzehnt, mit der Konfrontation durch mehrere globalen Krisen, zunehmend mehr Aufmerksamkeit zuteilwurde, findet sie nur langsam ein breiteres Publikum. Der Gesellschaft transformative Ideen verständlich und nachvollziehbar zu vermitteln, stellt daher, neben dem Wissensaustausch und der Vernetzung der einzelnen Pioniere dieses Wandels untereinander, eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess dar (vgl. Söllner 2021, S. 48).

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Denn damit die Entwicklung hin zu alternativen Wirtschaftsformen erfolgen kann, müssen sowohl die Wissenschaft als auch die Gesellschaft ein neues Verständnis von Wissen und der Wissensgenerierung etablieren (vgl. Singer-Brodowski/Schneidewind 2014, S. 131). Dieses transformative Wissen ist ein fluides Geflecht, welches von der Gemeinschaft getragen wird. Durch Kommunikation aller Mitwirkenden, sowie durch ausgehandelte Konventionen und Vereinbarungen wird dieses Wissen erzeugt (vgl. Singer-Brodowski/Schneidewind 2014, S. 134). Folglich sind das Schaffen von Netzwerken sowie das Reflektieren von Wertehaltungen und routinisierten Praktiken eine wesentliche Voraussetzung für eine grundlegende Veränderung der Gemeinschaft und damit ein wesentlicher Bestandteil der Transformation.

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Gerade Netzwerke bieten eine vielversprechende Plattform, um transformatives Wissen über die Grenzen der Nische hinaus in der Gesellschaft zu verbreiten und weiterzuentwickeln. Aber auch der Zugang zu Bildung spielt für den Transformationsprozess eine wichtige Rolle. Hier muss jedoch zwischen formaler Schul- & Berufsbildung und der Befähigung Gesellschaft/Zukunft zu gestalten unterschieden werden, da sich hier eklatante Unterschiede ergeben.  Im Folgenden werden sowohl die Bedeutung von Netzwerken als auch Bildung für den Transformationsprozess nochmal näher erläutert, sowie anhand von verschiedenen Beispiel-Akteur:innen aus Rheinland-Pfalz dargestellt, wie diese Pioniere des Wandels transformative Ansätze im (Arbeits-)Alltag realisieren.

 

Transformation Bildung: Inhaltlich und systematisch

Wie die Gesellschaft verändert sich auch die Bildungslandschaft in Deutschland. Bildung nachhaltiger Entwicklung (BNE) hielt Einzug in das Bildungssystem und der Einfluss der Globalisierung ist sowohl thematisch durch das politische Agenda-Setting als auch methodisch durch neue Technologien und Sozialen Medien spürbar. Der Grad der Transformation Im Bildungsbereich ist damit nicht allgemein zu bestimmen, sondern mit Blick auf die einzelnen Bildungswege zu betrachten (vgl. Langthaler 2015: 9f.; Söllner, S.48).

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Gerade bei der Schulbildung liegt der Fokus von BNE dabei oftmals noch auf der Entwicklung hin zu einer Green Economy als Zielsetzung und setzt damit „zu wenig auf die Reflektion dominanter nicht nachhaltiger Alltagsideologien“ (Singer-Brodowski 2016, S. 13f.). Denn eine Green Economy beschreibt ein wachstums- und gewinnorientiertes Wirtschaftssystem, welches Nachhaltigkeit vorrangig durch Innovation und technologischen Fortschritt erreichen will.  Diese Dominanz von BNE stellt transformations-positive Pädagog:innen vor das Dilemma ,,zwischen Mäßigung ihrer eigenen Kritik, um anschlussfähig (und nicht zuletzt von Regierungen förder- und unterstützungswürdig) zu bleiben auf der einen, und einer radikalen Kritik des aktuellen Status Quo, insbesondere in der Frage des Wachstumszwangs, auf der anderen Seite” (Singer-Brodowski/Schneidewind 2016, S. 14).  Ähnlich wie in anderen Wirtschaftszweigen gibt es also auch im Bildungssektor Ansätze, die den Fokus eher auf grünes Wachstum statt auf transformatives Handeln legen (siehe Theoretische Rahmung).

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Ein transformatives Bildungsverständnis und transformative Praktiken im Bildungsbereich finden sich insbesondere abseits klassischer Bildungseinrichtungen (vgl. Seitz 2018, S.10). Zweifellos sind Bildung und die Verbreitung des Wissens über alternative Ansätze und Praktiken wichtig für die Transformation.  

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Innerhalb von Netzwerken verbinden sich Akteur:innen verschiedener Bereiche, stehen in einem steten Wissensaustausch und treiben durch gemeinsame Lernprozesse die Transformation voran. Auch die weiteren im Lehrforschungsprojekt betrachteten alternativen Praktiken (Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Freizeit, Bildung, Verkehr), sind oft durch netzwerkartige Strukturen miteinander verknüpft. Ein Beispiel sind die vielen Betriebsgründungen der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) im Bereich ‚Versorgung‘. In den SoLaWi entsteht transformatives Wissen durch das Machen. Das ist in den Bereichen Versorgung und Arbeiten überdurchschnittlich ausgeprägt, weshalb diese Themen auch zu den Hauptinhalten von Bildungsnetzwerken gehören (vgl. Interviews Lokale Agenda 21 Trier, 24.06.21, SoLaWi, 06.12.21, Seitz 2018, S.10). 

 

Netzwerke als die Nährböden und Verbreitungskanäle transformativen Wissens: Wie kommt es in die Welt?   

Da in den vorangegangenen Kapiteln Netzwerke bereits als Schlüsselkomponente für den Transformationsprozess identifiziert wurden, erfolgt nun eine Konkretisierung, was dieser Begriff im Hinblick auf die Forschungsfrage bedeutet. Netzwerke können als ein Konglomerat von Akteur:innen angesehen werden, über miteinander über einen bestimmten Inhalt oder ein bestimmtes Thema in Kontakt stehen. (vgl. Kenis/Schneider 1991, S. 25-59; Pappi 1993, S. 84-94 zit. in Jansen/Wald 2007, S. 93).

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Sie stellen damit eine Governance-Form dar, welche die Mitglieder des Netzwerkes prägt und deren Handeln beeinflusst (vgl. Jansen/Wald 2007, S. 94). Ein weiteres Merkmal von Netzwerken ist das Vertrauen und die darauf basierende Kopplung zwischen den Mitgliedern des Netzwerkes (vgl. Jansen/Wald 2007, S.97f.). Aufgrund dieser Charakteristika bietet ein Netzwerk daher einen Raum, um Wissen zu sammeln, auszutauschen, zu reflektieren und es in die Welt zu tragen.  Dies gilt somit ebenso für transformatives Wissen. Grundsätzlich ist die Verbreitung transformativen Wissens an keinen Ort gebunden. An einigen Orten kann es jedoch einfacher in die Welt getragen werden als an anderen. Insbesondere Orte, die bereits über Netzwerke verfügen, stellen Gunsträume für die Verbreitung des Transformationswissens dar. Beispiele für Arten von Netzwerken innerhalb der Transformationsdebatte stellen u.a. Genossenschaften, Vereine oder Umweltverbände dar. Singer-Brodowski und Schneidewind nennen zudem Hochschulen als Beispiel für Netzwerke mit hohem transformativem Potenzial (vgl. Singer-Brodowski/Schneidewind 2014, S. 131ff).

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Der Prozess der Verbreitung und Entstehung von transformativem Wissen kann wiederum durch den Transition-Zyklus (vgl. Abb. 1) genauer erläutert werden. Der Zyklus umfasst verschiedene Phasen: Entlang nachhaltiger Zielvorstellungen wird Wissen generiert, dieses Wissen entwickelt sich fort, trägt zu einer Veränderung sozial-ökologischer Systeme bei und neues Wissen entsteht. Dieser Vorgang kann auch als Kreislauf erachtet werden, da das Systemwissen, das Zielwissen als auch das Transformationswissen nicht statisch ist, sondern stetig überarbeitet und weiterentwickelt werden. Folglich ist transformatives Wissen nicht statisch, sondern in ständiger Bewegung.

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Systemwissen leitet sich dabei aus dem Status-Quo ab und beschreibt vorherrschendes Wissen, innerhalb des Netzwerkes, auf dessen Grundlage Probleme analysiert und identifiziert werden. Darauf aufbauend können mit Hilfe des Zielwissens Visionen entwickelt und Zukunftsszenarien formuliert werden, welche dann durch Experimente/Modellversuche in Reallaboren erprobt, und als Transformationswissen die Grundlage für transformative Veränderungsprozesse bilden können. 

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Bei den innerhalb dieser Forschung untersuchten und vorgestellten Pioniere des Wandels handelt es sich zum Teil genau um solche Modellversuche und Pionierprojekte, welche durch ihre Tätigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Systemwissen, der Weiterentwicklung des Zielwissens und somit zur Entstehung neuen Transformationswissens beitragen. Dabei unterscheiden sich die Transformationspotenziale der verschiedenen Akteur:innen durchaus voneinander. Aber z.B. auch in Umweltbildungsnetzwerken, deren Inhalte größtenteils auf dem BNE-Konzept basieren (welches im vorangegangenen Kapitel noch kritisiert wurde), sehen Singer-Brodowski/Schneidewind einen Nutzen. Denn durch die Verankerung von BNE im Bildungssystem sensibilisiert das Konzept grundsätzlich ein breites Publikum für die Nachhaltigkeits- & Umweltthemen und steigert letztlich die Fähigkeit eines Individuums bzw. einer Gesellschaft transformatives Wissen eigenständig aufnehmen, weiterentwickeln, reflektieren und reproduzieren zu können (vgl. Singer-Brodowski/Schneidewind 2014, S. 134ff).

 

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Transformative Netzwerke und Bildungsangebote in Rheinland-Pfalz – eine Auswahl an Fallbeispielen

Rheinland-Pfalz bietet ein breites Feld an Akteur:innen mit Transformationspotenzial im Bereich der Netzwerke und Bildungsangebote. Die Ansätze für transformatives Handeln gestalten sich bei den Pionieren des Wandels dabei teils sehr unterschiedlich.  Im Rahmen der für dieses Projekt durchgeführten Interviews, konnten dabei mehrere Hebel für Transformation identifiziert werden. Die wichtigsten sind dabei alternative (z.B. gemeinschaftsbasiert) Wirtschaften, gesellschaftliches/soziales Engagement sowie das Verändern politischer Rahmenbedingungen durch gezielte politische Arbeit. Aber auch durch gemeinsames Tätigsein kann Wissen vermittelt werden und Inspiration entstehen, um Ideen weiterzutragen und zur Nachahmung anzuregen. Der Großteil der Akteur:innen fokussiert sich in der Regel auf einen der Hebel, jedoch schließen sie andere Mechanismen nicht aus und denken sie in ihrer Netzwerk- und Bildungsarbeit mit. 

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Netzwerke und Bildungseinrichtungen der Transformation in Rheinland-Pfalz existieren sowohl in ländlichen Regionen (z.B. Waldkindergärten), als auch in der Landeshauptstadt Mainz mit dem Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Elan. Auch sind Schnittmengen mit den anderen Feldern der Transformation gelebte Praxis. Ein Beispiel, wo auch (teilweise ganz unterbewusst) durch Tun und gemeinschaftliches Engagement Wissen weitergetragen wird, und so mit der Zeit ein starkes Netzwerk entsteht, sind die verschiedenen SoLaWis aus dem Bereich der Nahrungsmittelproduktion und -versorgung. Im Folgenden werden nun noch drei Pioniere des Wandels genauer vorgestellt, welche die vielfältigen Ausprägungen der Akteur:innen im Bereich Bildung/Netzwerke weiter ausdifferenzieren. Beim Myzelium handelt es sich um eine Lern- und Handlungsgemeinschaft, welche Interessent*innen bei gemeinschaftsbasierten Gründungen unterstützt, während es sich beim Haus der Nachhaltigkeit um ein Informations- und Erlebniszentrum mit den Schwerpunkten Umweltbildung und Nachhaltigkeit handelt. Bei der Lokalen Agenda wiederrum handelt es sich um ein landesweites Netzwerk mit vielen lokalen Zweigstellen, welches verschiedenste Akteur:innen in den jeweiligen Regionen und Städten zusammenbringt und so einen Wissens- & Ideenaustausch von Personen und Institutionen verschiedenster Hintergründe ermöglicht (vgl. Mapping; Interviews Haus der Nachhaltigkeit, 04.11.21, Lokale Agenda 21 Trier, 24.06.21, Myzelium, 24.06.21, SoLaWi, 06.12.21). 

 

Myzelium – Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften als Schlüssel zur Transformation  

Einen in Rheinland-Pfalz einzigartigen Pionier des Wandels im Bereich Netzwerke stellt das Myzelium dar. Hierbei handelt es sich um eine von Michaela Hausdorf und Timo Wans geleitete Lern- und Handlungsgemeinschaft für gemeinschaftsbasierte Gründungen. Neuen Organisationen, welche sich nicht durch die klassischen marktwirtschaftlichen Größen Wachstum und Gewinn erhalten wollen, wird vom Myzelium eine Alternative in Form einer gemeinschaftsbasierten Organisation und Finanzierung vorgestellt. Aber auch bereits existierende gewinn- und wachstumsorientierte Unternehmen mit dem Wunsch ihre Wirtschaftsweise zu verändern, werden vom Myzelium während des Transformationsprozesses begleitet. Die einzelnen Akteur:innen werden dabei auch gezielt miteinander vernetzt und haben so die Möglichkeit, Wissen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen.  

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Derzeit ist das Myzelium mit ca. 30 Unternehmen und Organisationen in der Region, und ganz Deutschland verbunden. Neben einem mehrstufigen Beratungs- und Unterstützungsangebot für Neugründungen, gibt es seit Januar 2022 ein modular aufgebautes „Online-Angebot zur Entwicklung krisenresistenter Geschäftsmodelle“, sowie einen Blog und einen Podcast. Hierbei finanziert sich das Myzelium ebenso gemeinschaftsbasiert über eine Bieterrunde, an der alle interessierten Gründer*innen teilnehmen.  

Auf dem Weg hin zu einer Gesellschaft, in der Wirtschaften mehr als ausschließlich Gewinn und Wachstum bedeuten kann, stellt das Myzelium somit einen Pionier des Wandels dar, da es ganz gezielt Menschen dabei hilft, diesen Transformationsprozess durch die Verwirklichung eigener gemeinschaftsbasierter Ideen voranzutreiben.

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Dabei ergeben sich für die Gründer:innen auch ganz konkrete Vorteile. So ist ein durch eine Gemeinschaft finanziertes Unternehmen, welches dadurch nicht mehr vom Angebot und der Nachfrage des Marktes abhängig ist, in Krisenzeiten deutlich resilienter. Denn dadurch, dass die Finanzierung bereits im Vorfeld durch die Bieterrunden erfolgt ist und keine Gewinne erzielt werden müssen, sind gemeinschaftsbasierte Unternehmen deutlich weniger anfällig und unabhängiger gegenüber der generellen Wirtschaftslage. Ein weiterer Vorteil ergibt sich für die Gründer:innen in der Art der Arbeit, welche in einem gemeinschaftsbasierten Umfeld entsteht. So verschiebt sich der Fokus der Mitarbeitenden laut Timo Wans deutlich weg von der Arbeit zum Selbstzweck, hin zu einer „Care-Arbeit“ für die Gemeinschaft mit einer sinnstiftenden, sozialen Komponente (vgl. Interview Myzelium, 24.06.21).

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„Wenn du auf Basis einer Gemeinschaft wirtschaftest,

dann hast du eine ganz andere Rolle. […]

Das ist eher Care-Arbeit.“ (Interview Myzelium)

 

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Haus der Nachhaltigkeit - Transformation erleben  

Ein weiteres Beispiel für einen Pionier des Wandels stellt das Haus der Nachhaltigkeit in Trippstadt dar. Dieses Haus verfolgt einen ganzheitlichen-transformativen Ansatz. Das Konzept des Hauses sieht vor, dass die Besucher:innen in ein durchweg auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Umfeld eintauchen können. Ziel dieses Konzeptes ist es, die Besucher:innen  auf direktem als auch indirektem Wege mit dem Thema der Nachhaltigkeit vertraut zu machen. Eine Lenkung erfolgt durch die Architektur des Hauses als auch durch die Gestaltung bzw. Nutzung der Räumlichkeiten, sowie die Auswahl der zu erwerbenden Produkte. Der Fokus liegt hierbei auf Bio-Produkten und auf vegetarischer sowie veganer Kost. Derartige Maßnahmen zielen darauf ab den Besucher:innen eine alternative Ernährungsweise näherzubringen.

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Neben der Produktauswahl erfolgt auch eine Beeinflussung durch das Haus selbst. So werden die Sanitäranlagen ausschließlich mit Regenwasser aus der hauseigenen Zisterne gespült. Damit die Zisterne nicht im Verborgenen bleibt, werden die Besucher:innen durch Informationstafeln über die Funktionsweise von dieser aufgeklärt. Eine weitere Besonderheit stellt eine Lehmwand im Gebäude dar. Es wurde sich bewusst für den Baustoff Lehm entschieden, da dieser ein nachhaltiger Rohstoff aus der Region darstellt, welcher jedoch in Vergessenheit geraten ist. Durch diese Vielzahl an Maßnahmen werden die Besucher:innen unbewusst zum Teil der Transformation, indem sie zu alternativen Praktiken inspiriert werden (vgl. Interview Haus der Nachhaltigkeit 04.11.21). 

  

Lokale Agenda - Was bedeutet global denken und lokal handeln? 

Die Lokale Agenda wurde gegründet, um die Nachhaltigkeitsziele 2030 der Vereinten Nationen auf lokaler Ebene umzusetzen. Nach dem Leitbild “Global denken - Lokal Handeln” bildeten sich seitdem Netzwerke auf allen räumlichen Ebenen (bundesweit, landesweit, regional und lokal) und Verwaltungsebenen (Bund, Land, Kreis, Stadt, Ortsgemeinde). In Rheinland-Pfalz gibt es über 100 Ortsgruppen, die zum einen als eigenständige Vereine agieren (z.B. die Lokale Agenda 21 Trier) oder auch als Arbeitskreis der Kommunalpolitik (z.B. Lokale Agenda 21 Mainz). Als Netzwerk, welches sowohl nah an der Politik als auch nah an der Wirtschaft und Zivilgesellschaft arbeitet, ist es perspektivisch breit aufgestellt und dient als Musterbeispiel für Netzwerke mit Transformationspotential (vgl. Interview Lokale Agenda 24.06.21; Lokale Agenda 21 Trier 2022; Lokale Agenda 21 Mainz 2022).  

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Eine etablierte Lokale Agenda findet sich am Standort Trier. Teilfinanziert durch den Trierer Stadthaushalt und mit einer hauptamtlichen Geschäftsstelle ausgestattet, wird nachhaltige Entwicklung auf lokaler Ebene vorangetrieben. Insbesondere Bildungsprojekte, welche das Ziel haben Bewusstsein zu schaffen und die Eigeninitiative zu stärken, werden von der LA21 Trier unterstützt um Bildung auf unterschiedliche Arten zu übermitteln: im Agenda-Kino in Form eines Freizeitangebots, im Zuge des Repair-Cafés, wo durch gemeinsames Tun Wissen über nachhaltige Ressourcennutzung weitergegeben wird, oder durch das Projekt Stadtgrün, im Rahmen dessen die Wichtigkeit von Grün in der Stadt durch aktives sichtbar machen unterstrichen wird (vgl. Interview Lokale Agenda 24.06.21). Als einer der größten Hebelpunkte der Transformation wird neben den lokalen Angeboten jedoch vor allem die politische Ebene gesehen, weshalb die Nähe zur Lokalpolitik und die Netzwerkstruktur der verschiedenen Ortsgruppen auch für Forderungen auf Bundesebene genutzt wird. Hinter dem Begriff Lokale Agenda steckt ein Musterbeispiel für ein Netzwerk, welches auf verschiedenen Ebenen und auf unterschiedlichste Art und Weise Wissen verbreiten, Veränderung antreiben und transformatives Handeln fördern will (vgl. Interview Lokale Agenda 24.06.21; Lokale Agenda 21 Trier 2022; Lokale Agenda 21 Mainz 2022).
 

Fazit: Netzwerke als Quelle transformativen Wissens? 

Zusammenfassend kann behauptet werden, dass sich die Transformation durch den Wandel von Bedeutungsperspektiven vollzieht. Jeder kann jederzeit Teil der Transformation werden, vorausgesetzt der Wille zum Lernen und zum Umdenken ist vorhanden. Die Perspektive eines Individuums oder einer Gruppe kann geändert werden, indem bestehende Strukturen hinterfragt und reflektiert werden. Reflektion ist ein essenzieller Schritt hin zu Transformation. Ein weiterer wichtiger Schlüssel stellt das Errichten von Netzwerken dar. Diese sind in Rheinland-Pfalz in unterschiedlichsten Ausprägungen vorhanden. Neben einigen, teils bereits lange etablierten (Bildungs-)Netzwerken wie z.B. ANU-RLP, RENN.West, oder der Lokalen Agenda, gibt es mit einer ganzen Reihe an Waldkindergärten auch reine Bildungs- und Betreuungsangebote mit transformativem Ansatz. Es existieren aber auch Initiativen wie das Eifel-Myzel, oder das Myzelium, welche mit ihrer Idee einer gemeinschaftsbasierten Lern- und Handlungsgemeinschaft ganz neue, konkrete Wege hin zur Transformation gehen und ein hohes Transformationspotenzial aufweisen.

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Wie die verschiedenen Pioniere des Wandels im Bereich Bildung/Netzwerke deutlich machen, gibt es eine große Bandbreite an Ansatzpunkten, um transformatives Wissen zu generieren, zu kultivieren und zu verbreiten. Gemein ist ihnen jedoch allen, dass sie durch verstärkte Wissenskonzentration, -austausch und -diffusion einen Nährboden für “neues Wissen”, also auch für transformative Entwicklungen bilden. Netzwerke sind ein Teil der Grundlage für Transformation und treiben sie auf verschiedenen Ebenen voran. Dadurch, dass Bildung neues Wissen generiert und somit neue Wissensgrundlagen schafft, entstehen positive Rückkopplungseffekte, welche es ermöglichen, in der Zukunft z.B. handlungsfähiger zu agieren.

 

Literatur

Jansen, D./Wald, A. (2007): Netzwerke. - In: Benz, A./ Lütz, S./ Schimank, U./ Simonis, G.: Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. S.93-105.

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Langthaler, M. (2015): Bildung und die Sustainable Development Goals: Zur Einschätzung des Bildungsziels in den SDGs, Wien. -URL: www.research-
gate.net/publication/285143547_Bildung_und_die_Sustainable_Develop-
ment_Goals_Zur_Einschatzung_des_Bildungsziels_in_den_SDGs [20.06.2022].

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Lokale Agenda Mainz (2022): Lokale Agenda. Tu heute was für morgen. -URL: www.agenda21-mainz.de [28.09.2021].

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Lokale Agenda 21 Trier (2022): Über Uns. -URL: https://la21-trier.de/ueber-uns/ [28.09.2021].

 

Roos, U. (Hrsg.) (2020): Nachhaltigkeit, Postwachstum, Transformation. Eine Rekonstruktion wesentlicher Arenen und Narrative des globalen Nachhaltigkeits- und Transformationsdiskurses. Augsburg.

 

Roos, U. (2020): Warum Nachhaltigkeit, Postwachstum, Transformation?. In Nachhaltigkeit, Postwachstum, Transformation (pp. 1-15). Springer VS, Wiesbaden.

 

Seitz, K. (2018): Globales Lernen als Transformative Bildung für eine zukunftsfähige Entwicklung. -In: VENRO (Hrsg.): Globales Lernen: Wie transformativ ist es? Impulse, Reflexionen, Beispiele, Berlin, S. 7-11.

 

Singer-Brodowski, M./ Schneidewind, U. (2014): Transformative Literacy. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse verstehen und gestalten. In: Krisen- und Transformationsszenarios, ,131–140.

 

Singer-Brodowski, M. (2016). Transformative Bildung durch transformatives Lernen. Zur Notwendigkeit der erziehungswissenschaftlichen Fundierung einer neuen Idee. ZEP: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik, 39(1), 13-17.

 

Söllner, J. (2021): System change not climate change – Geographiedidaktische Reflexionen zu Postwachstumsökonomien im Kontext einer transformativen Bildung. Hannover.

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Abb. 1: Transition-Zyklus Quelle: Eigene Abbildung nach Schneidewind u.a. 2011,

auf Basis des ursprünglichen Transition-Zyklus von Loorbach 2007; 2010

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