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Theorie: Willkommen

Wirtschaften ohne Zukunft

Autor: Mark Diederichs und Niklas Schäfers

„[…] du bist ja nur eine Nummer in einem großen Konzern,

du hast so viele Ideen […]“ (Steffan Millen, 2021)

 

 

Eine Nummer in einem großen Konzern. Diese Aussage von Steffan Millen trifft auf viele Arbeiter:innen im gegenwärtigen Wirtschaftssystem zu. Der Mensch muss funktionieren, wie ein Zahnrad in einer Maschine und kann bei nicht-funktionieren ausgetauscht werden. Diese Art des Wirtschaftens ist nicht den Bedürfnissen des Menschen angepasst, sondern hat den Menschen unterworfen (vgl. Dolinga 2020, o.S.). Neben der Ausbeutung des Menschen erfolgt auch eine Ausbeutung der Natur. Eine Vielzahl von Umweltkrisen, wie der Klimawandel oder der massenhaft auftretende Biodiversitätsverlust können auf den Menschen und deren wachstumsbasierte Wirtschaftsweise zurückgeführt werden (vgl. Petschow et al. 2020a, S. 343f).

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Wachstumsbasierte Wirtschaften zielt auf eine stetiges Wachstum und der Steigerung des Profites als auch auf gesellschaftliches Wohlergehen ab (vgl. Brückner/Lange 2020, S. 36 nach Brinks 2019, o.S./ Petschow et al. 2020a, S. 344). Die Logik der Steigerung stößt früher oder später auf Grenzen (Ressourcen sind nicht unbegrenzt vorhanden) und ist damit nicht nachhaltig. Eine weitere Folge des wachstumsbasierten Wirtschaftsmodell ist, dass dieses auf Ungleichheiten basiert und sie reproduziert (vgl. Bruns/Braun 2021, S.36.): Denn unbegrenztes Wachstum ist nur für einige Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme des globalen Nordens möglich, während der globale Süden vorwiegend als Rohstofflieferant dient.

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„[…] Irgendwann stellt man sich die Frage:

Ist es das gewesen? […]“ (Steffan Millen, 2021)

 

 

Zum wachstumsbasierten Wirtschaftssystem bestehen Alternativen (vgl. Abb. 1). Doch wie gelingt diese Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise? Vereinfachend kann in zwei Diskursstränge unterschieden werden - in die Green Economy und in das Alternative Wirtschaften. Vertreter:innen des Alternativen Wirtschaftens sind der Überzeugung, dass Wirtschaftswachstum nicht per se nötig ist, um menschliches Wohlergehen zu sichern. Das Gesundschrumpfen der Wirtschaft kann zum Beispiel durch die Reduzierung von Umweltbelastungen erfolgen (vgl. Petschow u.a. 2020a, S.352 nach z.B. Kallis 2011; Paech 2012; Demaria/Schneider/Sekulova et al. 2013 oder Latouche 2015a/b).

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Der Position des Alternativen Wirtschaftens steht das Grüne Wachstum (Green Economy) gegenüber. Vefechter:innen der Green Economy behaupten, dass Wirtschaftswachstum für eine nachhaltige Zukunft nötig ist. Es wird davon ausgegangen, dass durch die marktwirtschaftlichen Instrumente im Sinne einer ökologischen Modernisierung Umweltbelastungen entgegengewirkt werden kann. Entlang dieses Paragigmas ist Wacshstum weiterhin erwünschtes Staatsziel (vgl. Petschow u.a. 2020a, 352 nach z.B. OECD 2011, Weltbank 2012, Jacobs 2013 oder Bowen/Hepburn 2014).

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Abb. 1: Ergrünen der Wirtschaft (Eigene Darstellung nach Schulz/Affolderbach 2015)

 

Kritiker weisen jedoch schon lange darauf hin, dass das Paradigma des Grünen Wachstums auf einem reduktionistischen Wirtschaftsmodell beruht. Ein einprägsames Bild dafür ist das Wirtschaftsmodell des Eisbergs (siehe Abb. 2, vgl. Gibson-Graham 2009). Die sichtbare Spitze des Eisberges bilden Lohnarbeit, Waren und Investitionen – auch wenn sie negative soziale und ökologische Folgen haben. Den Großteil des Eisberges machen aber weitere wirtschaftliche Tätigkeiten aus. Zu diesen zählt die nicht entlohnte Care-Arbeit, wie die Pflege von Angehörigen, die Arbeit im Haushalt, Open-Source-Projekte und viele weitere Tätigkeiten. Derartige Praktiken werden aber durch den einseitigen Fokus auf messbare Geldströme ausgeblendet, obwohl sie die Grundlage für alles andere bilden. Wirtschaft und wirtschaften muss daher anders konzipiert werden (vgl. Dolinga 2020, o.S.). Das Problem, welches durch das Bild des Eisberges veranschaulicht werden soll ist, dass derzeit das wachstumsbasierte Wirtschaftsmodell betrachtet wird und sich Alternativen im Verborgenen befinden.

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Abb. 2: Eisberg (Eigene Darstellung nach Gibson-Graham 2009)

 

Wachstumsbasiertes Wirtschaftssystem

Das Bild des Eisberges zeigt, dass das gegenwärtige wachstumsbasierte Wirtschaftsmodell zu viel ausblendet. Warum der Aufwand betrieben werden sollte das Wirtschaftssystem zu hinterfragen und auch unter die Wasseroberflache zu schauen, wird durch die Probleme und Schwächen des wachstumsbasieren Wirtschaftens deutlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 3: Konsummuster (Eigene Darstellung nach WU Wien 2017)

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Die Abbildung 3 veranschaulicht, dass die Weltbevölkerung in den letzten Jahrzehnten in einem geringeren Maße gewachsen ist, als der Konsum und das BIP. Folglich besteht der Trend zu einem deutlich gesteigerten Konsumverhalten, womit wiederum weitreichende Probleme verbunden sind. Ein gesteigerter Konsum korreliert mit der Zunahme von Umweltbelastungen. Durch den Nutzen von Ressourcen, die benötigt werden, um Konsum zu ermöglichen, bedingt eine veränderte Landnutzung und geht in der Regel mit Biodiversitätsverlust einher. Folglich rücken die planetaren Grenzen durch eine Steigerung der Wirtschaftsleistung immer näher (vgl. Petschow u.a. 2020a, S. 346). Der gegenwärtige Hyper-Konsumismus, welcher primär vom Globalen Norden getragen wird, bedingt ein Maß an Konsum, der nicht nachhaltig ist (vgl. Folkers/Paech 2020, S.17). Zudem findet der Konsum auf Kosten anderer Menschen statt.

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Nach Niko Paech wird das wachstumsbasierte Wirtschaften aus unterschiedlichen Gründen auf absehbarer Zeit scheitern. Zum einen werden zukünftig Ressourcenengpässe dem Wachstum entgegenwirken, sodass abzusehen ist, dass sich Verteilungsdisparitäten verschärfen werden (vgl. Paech 2012, 17 nach Heinberg 2007, o.S.; vgl. Paech 2012, 17 nach Paech 2008, o.S.). Es kommt somit unweigerlich zu einer Reproduktion von Ungleichheiten. Paech sieht eine weitere Schwäche einer Ausrichtung der Gesellschaft auf Wachstum darin, dass mit dem Erreichen eines bestimmten Wohlstandsniveaus nicht automatisch der Zuwachs von Glück erfolgt (vgl. Paech 2012, 17 nach Layard 2005, o.S.). Zudem erzeugt Wirtschaftswachstum ökologische Schäden und beutet Natur und Menschen aus (vgl. PAECH 2012, S.17 nach Paech 2012, o.S.). Aus diesen Gründen sollte eine Abkehr vom wachstumsbasierten Wirtschaftsmodell hin zu erfolgen.

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Pole in der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften

Wachstumsbasierten Wirtschaften ist nicht nachhaltig. Vertreter:innen der Grünen Wachstumsstrategie gehen jedoch davon aus, dass Nachhaltigkeit erreicht werden kann. Dafür ist die Idee effizienten Nutzung von Ressourcen durch ökologische Modernisierung zentral. Die ökologische Modernisierung beschreibt dabei ein auf Technik basiertes Vorgehen, welches auf eine technologische Lösung von Umweltproblemen abzielt (vgl. Jänicke 2000, o.S.). Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit sind etwa Passivhäuser, erneuerbare Energieerzeugung, Ökotextilien, Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffautos, smarte Informationstechnologien zur Dematerialisierung von Wertströmen oder energetische Sanierungen. Diese können, so die verbreitete Annahme, innerhalb des Konzepts der Green Economy zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, indem Rohstoffe effizienter genutzt werden (vgl. Paech 2010, S.12). Im Rahmen dieses Paradigmas ist die Transformationstiefe vergleichsweise gering. Eine grundsätzliche Kritik am zugrundeliegenden Wirtschaftsmodell und der Orientierung auf Wachstum, einschließlich der materiellen Wohlstandsgewinnung und des Konsums findet nicht statt. Stattdessen sieht die ökologische Modernisierung eine Veränderung der Konsummuster vor (vgl. Bruns/Braun 2021, 36f). Ein Beispiel für grüne Wachstumsstrategien sind Smart Cities. Die Strategie zielt darauf ab, Städte durch den Einsatz von digitalen Technologien besser verwalten und steuern zu können (vgl. Brun/Braun 2021, o.S.), ohne aber die Ursachen der sozialen und ökologischen Krise zu adressieren. Daher wird der Ansatz der Green Economy stark kritisiert. Niko Paech äußerte sich folgendermaßen:

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„Sämtliche Anläufe einer ökologischen Modernisierung,

die ein «grünes» Wachstum und damit eine politisch

leicht zu vermittelnde Umgehung jeglicher Anspruchsmäßigung versprachen, sind grandios gescheitert.“ (Paech 2016, S.4)

 

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Das Scheitern liegt nach Petschow et al. (2020b, S. 9) darin, dass dieses Wirtschaftsmodell weiterhin zu viele Ressourcen verbrauchen würde, da keine Abkehr von der Wachstumsorientierung erfolgt. Die negativen Folgen für Mensch und Umwelt würden nur weiter verlagert: in ferne Länder oder in die Zukunft. Der Pfad der Green Economy ist nicht ausreichend. Es erfolgt keine Entkopplung vom Wirtschaftswachstum und vom Ressourcenverbrauch. Daher wird auch vom Entkopplungsmythos gesprochen (vgl. Paech 2010, S.12 f.). Teilweise werden durch die grüne Modernisierung auch negative Reboundeffekte hervorgerufen, welche die Mehrnachfrage aufgrund einer vorherigen Steigerung der Effizienz beschreiben (vgl. Santarius 2012, S. 5). Am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2009 beispielsweise sank der Strompreis an der Leipziger Elektrizitätsbörse auf unter null, da massenhaft Strom aus erneuerbaren Energiequellen in das Stromnetz eingespeist wurde. Dies hatte zur Folge, dass eine Umlagerung der Umweltbelastungen erfolgte. Strom kostete kein Geld, weshalb viele Leute diesen massenhaft konsumierten (vgl. Paech 2010, S.13). Durch die grüne Modernisierung ist auch mit weiteren Problemen zu rechnen. Der Rückbau von herkömmlichen Produktionsprozessen ist an den Verbrauch gekoppelt und wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Wachstum des Entsorgungssektors führen. Die Abwrackprämie von – vorgeblich sparsameren – Autos ist dafür ebenso ein Beispiel wie auch der Umstieg auf E-Mobilität. Daher kann eine Green Economy die Probleme, die durch ein ressourcenintensives Wirtschaftswachstum hervorgerufen werden, nicht lösen (vgl. Paech 2010, S.13f).

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„Wäre es dann nicht ehrlicher, direkt eine Postwachstums-

ökonomie anzupeilen, statt Wohlstandserwartungen zu schüren,

welche die Bereitschaft der Gesellschaft, sich auf einen

überfälligen Wandel von Lebensstilen einzulassen,

untergraben?“ (Paech 2010, S. 14)

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Anhänger:innen des Postwachstums stellen die Vereinbarkeit von Wirtschaftswachstum und einer Nachhaltigkeit in Frage. Nachhaltigkeit lasse sich demnach nicht durch technologisches und politisches Nachjustieren erreichen, sondern erfordere eine grundlegende Umgestaltung der ökonomischen, sozialen und politischen Verhältnisse (vgl. Bruns/Braun 2021, S. 36.). Kritik wird konkret an der Logik der Steigerung des gegenwärtigen Wirtschaftens geäußert. Das Wirtschaften auf einem endlichen Planeten, basiert auf Ausbeutung und lässt Ungleichheiten entstehen. Damit diese Missstände aufgehoben werden, bedarf es einer grundlegenden Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die das Wirtschafssystem stabilisieren (vgl. Bruns/Braun 2021, S. 36).

 

Postwachstum als Teil des Alternativen Wirtschaftens

Was verbirgt sich hinter dem Begriff des Postwachstums und wie kann eine Transformation hin zu einer Postwachstumsgesellschaft gestaltet werden?

 

Postwachstum stellt eine Abkehr vom bisherigen Wachstumsmodell dar (vgl. Best et al. 2021, 1 f.). Postwachstum dient dabei als Sammelbegriff für verschiedene Ansätze, Konzepte und Debatten, die sich mit alternativen und diversen Formen des Wirtschaftens sowie deren gesellschaftlichen Zusammenhängen befassen (vgl. Best et. al 2021, S. 1). Das Ziel des Postwachstumsparadigmas stellt eine Umstrukturierung der Wirtschaft und Gesellschaft dar, sodass alle wirtschaftlichen Prozesse in einem direkten Bezug zu Menschen und Natur gedacht werden. Es werden gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen angestrebt, so etwa mehr soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Wohlbefinden und die Überwindung von Wachstumszwängen (vgl. Best et. al 2021, S. 2). Die Wirtschaft solle den Menschen und die Natur zukünftig nicht mehr ausbeuten, sondern dem Menschen und der Natur zugutekommen (vgl. Best et. al 2021, S. 2). Postwachstum ist dennoch nicht gleichzusetzen mit Rezession, Schrumpfungsprozessen oder sinkender Wirtschaftsleistung.

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Bei der Transformation hin zu einer Postwachstumsgesellschaft stellt das Konzept der Suffizienz eine tragende Säule dar. Suffizienz bedeutet Güter zu teilen, um damit beispielsweise den ökologischen Fußabdruck zu senken. Durch eine doppelte Nutzung wird letztendlich der Bedarf halbiert (vgl. Paech 2016, S. 7). Die Suffizienz soll ein sorgenfreieres Leben ermöglichen, da sich durch weniger Bedarf auch weniger als angreifbar herausstellt (vgl. Paech 2016, S. 7). Schneidewind sieht im Konzept der Suffizienz das Potential, ein neues und gesundes Maß zwischen Beschleunigung und Entschleunigung, zwischen Anschaffung und Abschaffung sowie zwischen Verflechtung uns Entflechtung zu schaffen (vgl. Schneidewind 2017, S. 98).

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Es existieren zahlreiche Initiativen und Projekte, die sich dem Konzept des Postwachstums verschrieben haben oder versuchen, einzelne Aspekte aufzugreifen und umzusetzen. Co-Working-Spaces, sozialökologische Unternehmen, Repair-Cafés, solidarische Landwirtschaften oder urbane Gärten entstehen an Orten als Gemeinschaften, die ihre Arbeit an Gemeinwohl, Glück und einem sozial-ökologischen Gleichgewicht statt den Wachstumsbestrebungen ausrichten (vgl. Best et. al 2012, S. 3). Die Betreiber:innen wollen weiterverwerten statt wegwerfen, gemeinschaftlich nutzen, teilen, leihen und regionale- sowie alternative Wertkreisläufe schaffen (vgl. Best et.al 2021, S. 3). Es kommt also ein erweitertes Verständnis von Wirtschaft zum Tragen, das neben den nach Marktprinzipien agierenden Unternehmen, auch Formen der sozialen und solidarischen Ökonomie sowie anderer kommunitärer Aktivitäten umfasst (vgl. Schulz 2017, S. 11).

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Ein bedeutender Begriff, der im Rahmen des Postwachstums nicht unerwähnt bleiben darf, ist der des Zeitwohlstands. Zeit ist nicht vermehrbar, weshalb diese Ressource im Paradigma des Postwachstums eine wichtige Stellung einnimmt (vgl. Paech 2016, S. 5). Aus dieser Stellung heraus strebt eine Postwachstumsgesellschaft danach, den Menschen einen größeren Zeitwohlstand zu vermitteln und zu ermöglichen. Damit dies gelingen kann, muss eine Reduktion von Einflüssen erfolgen. Diese Reduktion beinhaltet auch die bewusste Rücknahme auf Konsum- und Mobilitätsballast (vgl. Paech 2016, S. 7). Die Reduktion stellt keinen Verzicht, sondern vielmehr eine Befreiung von Lasten dar. Nach der Vision kann durch die “Entrümpelung vom Wohlstandsschrott”, welcher Raum, Zeit und Geld kostet, ein höherer Zeitwohlstand erzeugt werden kann (vgl. Paech 2012, S. 18).

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Darüber hinaus gehen viele alternative Ansätze davon aus, dass die Bürger:innen zukünftig lediglich einen geringen Teil der Lebenszeit (ca. 20 Stunden in der Woche) mit der Erwerbsarbeit beschäftigt sind. Die restliche Zeit soll den entkommerzialisierten Bereichen gewidmet werden (vgl. Eppler/Paech/Grefe 2021, S. 9). Menschen sollen zukünftig die Möglichkeit haben, Muße zu entdecken und zu leben.

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Diese angesprochene Muße beschreibt „jene Stunden, in denen wir einmal nicht dem Geld, der Karriere oder dem Erfolg hinterherrennen, sondern in denen wir zu uns selbst und unserer eigentlichen Bestimmung kommen“ (Schnabel 2012, S. 21). Die Muße thematisiert also die Möglichkeit, die eigene Zeitplanung nicht immer dem externen Wohl unterzuordnen, sondern mehr auf eigene Wünsche eingehen zu können.

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Damit die Art des Wirtschaftens, die in Postwachstumskonzepten vorgeschlagen wird, funktionieren kann, muss zuvor eine Perspektivänderung der Menschen, sowie eine Änderung der Lebensstile stattfinden. “Wenn die Quelle für ein Nutzen oder Glück stiftendes Etwas jeglicher Stofflichkeit enthoben sein soll, kann sie nur im Subjekt selbst liegen.“ (Paech 2010, S. 14). Menschen sind also in der Lage, die eigene Zukunft mitzugestalten. Nicht allein die Ökonomie, sondern auch das Denken der Gesellschaft muss einer Transformation unterzogen werden. Im Lehrforschungsprojekt werden wir anhand ausgewählter Initiativen und Menschen zeigen, wie dieser Wandel im Denken und Tätigsein aussieht. Veränderung entsteht dabei im Kleinen, kann sich aber ausbreiten.

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Die Abbildung einer Multi-Level-Perspektive veranschaulicht in abstrahierter Form den Prozess der Transformation, hin zu einer Umstrukturierung und Neuausrichtung wachstumsbasierter Wirtschaftsweisen. Das wachstumsbasierte Wirtschaftsmodell (siehe dominante sozio-technische Regime) und die Postwachstumsbewegungen (siehe Nischenniveau) koexistieren zu Beginn. Mit der Zeit formen sich einzelne Strömungen der Postwachstumsbewegung zu einer großen, konglomerierenden Strömung zusammen und bedingen einen Wandel des bisher dominanten Wirtschaftssystems.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Abb. 4: Multi-Level-Perspektive (Eigene Darstellung nach Geels 2002)

 

Das Konzept des Postwachstums bietet möglicherweise Perspektiven für nachhaltiges und damit zukunftsfähiges Wirtschaften. Das wachstumsbasierte Wirtschaften beruht auf Ausbeutung von Mensch und Natur und ist nicht nachhaltig. Daher sollte das Wirtschaftssystem den Menschen nicht unterwerfen, sondern an seinen Bedürfnissen angelehnt sein. Es ist Zeit für Alternatives Wirtschaften.

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Literatur

Best, B. et al. (2021): POSTWACHSTUM UND RAUMENTWICKLUNG. Denkanstöße für Wissenschaft und Praxis. Hannover.

 

Bruns, A./Braun, B. (2021): Nachhaltigkeit und sozialökologische Transformation. In: Schneider-Sliwa, R. et al. (Hrsg.): Humangeographie. 1. Aufl.

 

Bürkner, H.-J./Lange, B. (2020): Situierte Raumkonzepte zur Erklärung von Arbeitsprozessen im Kontext von Postwachstumsökonomien. In: Lange, B. et al. (Hrsg.): Postwachstumsgeographien. Raumbezüge diverser und alternativer Ökonomien. Bielefeld, 35–57.

 

Dolinga, S. (2020): Ein Eisberg am Ende des Kapitalismus. Nach-­(haltig)-­gedacht. Internetquelle: http://nach-haltig-gedacht.de/2020/12/07/ein-eisberg-am-ende-des-kapitalismus/ (19.02.2022).

 

Folkers, M./Paech, N. (2020): All you need is less. Eine Kultur des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht. München.

 

Jänicke, M. (2000): Ökologische Modernisierung als Innovation und Diffusion in Politik und Technik: Möglichkeiten und Grenzen eines Konzepts.

 

Paech, N. (2010): Eine Alternative zum Entkopplungsmythos: Die Postwachstumsökonomie. In: Humane Wirtschaft, (41)5, 12–14.

 

Paech, N. (2012): Vom grünen Feigenblatt zur Postwachstumsökonomie. Das Wachstumsparadigma hat ausgedient. In: Ökologisches Wirtschaften - Fachzeitschrift, (27)4, 17.

 

Paech, N. (2016): Suffizienz als Kernelement der Postwachstums-Ökonomie. In soziales statt monitäres Kapital investieren, um den Wachstumszwang einzudämmen. In: Neue Wege, (110)5.

 

Petschow, U. et al. (2020a): Eckpunkte und Positionen einer Vorsorgeorientierten Postwachstumsökonomie. Vom Ende des wachsenden Wohlstandsmodells. In: Lange, B. et al. (Hrsg.): Postwachstumsgeographien. Raumbezüge diverser und alternativer Ökonomien. Bielefeld, 343–367.

 

Petschow, U. et al. (2020b): Zeitenwende für vorsorgeorientiertes, resilientes Wirtschaften. Neue Impulse durch die Verbindung von Postwachstums- und Transformationsforschung, , 1–29.

 

Santarius, T. (2012): Der Rebound-Effekt. Über die unerwünschten Folgen der erwnschten Energieeffizienz. 5. Aufl. Wuppertal. (=Impulse zur WachstumsWende).

 

Eppler, E./Paech, N./Grefe, C. (2021): Was Sie da vorhaben, wäre ja eine Revolution. Ein Streitgespräch über Wachstum, Politik und eine Ethik des Genug. 2. Aufl. München.

 

Schneidewind, U. (2017): Einfacher gut leben. Suffizienz und Postwachstum. In: politische Ökologie, (148), 98–103.

 

Schnabel, U. (2012): Muße: Vom Glück des Nichtstuns. Pantheon Verlag, München.

 

Schulz, C. (2017): Postwachstum in den Raumwissenschaften. In: Nachrichten der ARL, 4.

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